Bei seinem letzten Telefongespräch aus dem Gefängnis mit seiner Familie sagte Lütfü Koç: “Sie lassen mich hier sterben.” Der kranke Mann ist wie viele andere Gefangene in der Türkei verzweifelt.
Von Sevinç Özarslan
(Aus dem Türkischen von Sven Weber)
Lütfü Koç ist krank und sitzt im Gefängnis von Menemen in Izmir. Bei seinem letzten Telefongespräch mit seiner Ehefrau Züleyha zeigt der kranke Mann sich sehr besorgt. “Sie lassen mich hier sterben.” Koç wurde am 20 Mai 2019 wurde festgenommen. Seit Juni 2019 wartet er darauf, dass bei ihm eine Endoskopie und Kolonoskopie durchgeführt wird. Sein Arzt hatte ihm zuvor gesagt, dass er möglicherweise Krebs hat und das bei ihm eine Endoskopie und Kolonoskopie durchgeführt werden müsse. Seit er im Gefängnis wird, konnte er seine medizinischen Untersuchungen nicht mehr fortsetzen. Zudem hat der Mann zwei Zysten in seinem Gehirn.
Bei dem Telefongespräch erzählte der Mann seiner Frau, dass es auch eine Anschwellung auf seiner rechten Bauchseite gäbe. Der Gefängnisarzt hatte das als “anormal” bezeichnet. Dennoch durfte Koç ins Gefängnis verlegt werden. “Sie lassen mich hier sterben,” sagte der Mann seiner Frau.
“Schon drei Mal musste ich auf die Notaufnahme, aber das durfte ich nicht. Die rechte Seite meines Bauches ist angeschwollen. 12 bis 13 Stunden muss ich jeden Tag mis Ausstoßen und Brechen verbringen. Der Arzt hat den Verdacht auf Krebs. Niemanden interssiert das hier. Ich durfte aber auf die Sanitätsstation des Gefängnisses. Der Arzt dort ist absolut uninteressiert. Wegen des Coronavirus bringen sie Gefangene nur ins Krankenhaus, wenn Todesgefahr besteht. Sie wollen mich hier nicht rauslassen. Mir geht es nicht gut. Ich schlafe hier auf dem Boden.”
Staatsanwalt erreichen unmöglich
Die Ehefrau des Gefangenen und sein Rechtsanwalt wollen Anträge beim zuständigen Staatsanwalt stellen. Dieser sei aber nicht erreichbar. “Seit zwei Wochen ist der Rechtsanwalt schon zum Gericht gegangen. Der Staatsanwalt ist nicht da. Unsere einzige Hoffnung ist, dass Menschenrechtler unsere Stimme erhören,” so Züleyha Koç.
Alleine mit behindertem Kind
Züleyha Koç hat es besonders schwer. Sie muss sich um ihre zwei kranken Kinder kümmern, eines davon ist schwerbehindert. Zudem hat sie noch eine 80 Jahre alte Mutter, um die sich die Ehefrau des kranken Mannes ebenfalls kümmern muss. Sie hat einen Brief an das Gericht geschrieben.
“Ich bin Zeliha Koç, die Mutter eines schwerkranken Kindes. Mein vierjähriger Sohn leidet an Epilepsie. Er kann weder sehen, sprechen noch laufen. Damit er sich sicher fühlt, will er ständig, dass seine Hand festgehalten werden. Er kann nicht schlafen, ist pflegebedürftig und es muss ständig jemand bei ihm sein. Meine Tochter ist 11 Jahre alt. Als sie auf die Welt kam, wurde sie krank. Sie hatte eine schwere Zeit. Doch sie lebt. Mit 10 Jahren bekam sie dann eine Krankheit an ihren Muskeln. Sie leidet an Muskelschwund. Wir hatten anstrengende und schlaflose Nächte. Hatten wir uns mit meinem Mann gemeinsam unterstützt so bin ich jetzt komplett auf mich alleine gestellt. Ich bin in einer ausweglosen Situation und ich bin ein Einzelkind. Ich muss mich alleine um meine 80.jährige Mutter kümmern. Das Leben ist jetzt noch schwerer geworden. Bitte zeigen Sie Mitgefühl Sie haben doch auch Kinder, eine Ehepartnerin und eine Mutter.
Mein Mann hat am 29, April 2019 nicht einmal sich von seinen Kindern verabschiedet, weil er dachte, dass er wiederkommt.
Er wurde im Gerichtssaal verhaftet, zu dem alleine hingefahren war. Ich bitte Sie, lassen Sie meine Kinder nicht mit ihren Tränen in den Augen. Wir brauchen Hilfe, meine Kinder brauchen ihren Vater. Bitte lehnen Sie unsere Bitte nicht ab. Ich bitte sie als eine innerlich zerstörte Frau und Mutter. Wir sind am Ende.”
Der Text wurde für die deutsche Übersetzung redaktionell bearbeitet. Das Original finden Sie hier.