Es war der erste Corona-Fall in einem Flüchtlingsheim, der bekannt wurde. Der Türke Raşid Orhan hat in seinem Karantäne-Zimmer des Flüchtlingsheims in Gießen ohne jegliche Therapiemaßnahmen den Erreger besiegt. Ähnliche Fälle gibt es jetzt auch in anderen Flüchtlingsheimen.
von Cevheri Güven
Raşid Orhan hat im Gespräch mit Bold seine Leidensgeschichte erzählt:“Ich glaube, ich habe mich in Deutschland angesteckt. Nachdem ich Symptome hatte, wollte ich zum Arzt. Nach langem und anstrengendem Warten wurde ich getestet. Wir ich erwartet hatte, wurde ich positiv getestet. Auch meine Frau sollte getestet werden, aber sie wurde es nicht. Sie dachten, sie hätte sich auch infiziert. Zuerst wurde ich ins Karantänezimmer genommen und am nächsten Tag meine Ehefrau. Das größte Problem im Flüchtlingsheim ist die unzureichende Ernährung. Um gesund zu werden muss man sich ordentlich ernähren und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Unter Karantäne ist das sehr schwierig. Die Mitarbeiter des Flüchtlingsheims haben das Essen vor die Tür gestellt und sind gegangen,also praktisch anschließend weggerannt. Jeder hat verständlicherweise Angst sich anzustecken. Wenn unsere Freunde von draußen Essen und Vitamine bringen wollten, wurden sie einem anstrengenden Prozedere unterzogen. In der Karantäne hat es keine täglichen ärztlichen Untersuchungen gegeben. Tagelang haben wir im Zimmer gewartet und versucht zur Ruhe zu kommen. Es gab Tage wo es mir sehr schlecht ging, ich hustete und kaum atmen konnte. Der Arzt hatte beim ersten Test gesagt, dass ich jung sei, nicht rauche und deswegen die Krankheit besiegen könne. Nach zwei Wochen ging es mir besser. Ich habe den Virus alleine besiegt. Meine Frau hatte kaum Symptome.
Im Flüchtlingsheim ist die Priorität, dass das Personal sich nicht ansteckt. Für die Flüchtlinge gibt es keinerlei Vorsichtsmaßnahmen, weder inhygienischer noch in gesundheitlicher Hinsicht. Bei dieser Menschenmenge ist es unmöglich Distanz untereinander zu wahren. Wir sind nicht mehr im Karantänezimmer. Wir sind jetzt wieder in einem normalen Zimmer aber ich habe Angst. Ich bin politischer Flüchtling. Sie können mein Anerkennungsprozedere beschleunigen, so dass ich eine Wohnung nehmen kann oder Maßnahmen ergreifen, dass die soziale Distanz gewahrt werden kann.“
Beide Ehepartner sind Lehrer. Beide wurden wegen Verbindungen zur Gülen-Bewegung in der Türkei festgenommen und saßen im Gefängnis. Anschließend haben sie es geschafft über Griechenland nach Deutschland zu flüchten. Beide Ehepartner wurden zudem zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Flüchtlingsunterkünfte LEA Ellwangen und Köln Schönhauser Straße unter Quarantäne
2015 sind zahlreiche Flüchtlingsheime in Deutschland gegründet worden. Später wurden viele wieder geschlossen, da die Flüchtlingszahlen zurückgingen. Vor allem Flüchtlinge in den sog. Erstaufnahmestellen schlagen vor, dass sie in diesen geschlossenen Heimen untergebracht werden können, bis die Corona-Krise unter Kontrolle ist. Am häufigsten dürfte das Virus in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen (LEA) vorkommen. Bei den Corona-Tests im März wurden 244 von 567 getesteten Flüchtlingen positiv getestet. Seit Anfang April ist die Einrichtung komplett unter Quarantäne. Rein. Und Rausgehen ist nicht mehr möglich. Es erreichen uns Informationen über täglich steigende Coronafälle in der LEA. Auch die Kölner Flüchtlingunterkunft Schönhauser Straße soll inzwischen unter Quarantäne gestellt worden sein.
LEA durch Neu-Ankömmlinge zum Corona-Krisenherd geworden
Wir haben mit einem aus der Flüchtlingsunterkunft der LEA gesprochen. „Wir waren eigentlich in dem Lager 250 Personen. Weil das Coronavirus zur Gefahr in Deutschland wurde, wurden die Flüchtlinge aus den umliegenden Einrichtungen hierher verlegt. Aus Heidelber wurden etwa 150 Flüchtlinge hierher verlegt. Derzeit sind wir in der Unterkunft 600 Personen. Drinnen ist es voll. Die Verlegung der Neu-Ankömmlinge haben zu einer gefährlichen Situation beigetragen.
Rund um die LEA patroilliert die Polizei ständig. Essensmangel ist ein großes Problem. Zum Abendessen gibt es manchmal nur Brot und Butter. Wir können nicht raus. Essen von draußen darf nicht geliefert werden. Die Polizei hat das Lager praktisch umzingelt. Wer positiv getestet wurde, wurde in 2 der letzteren Blöcke in der Einrichtung verlegt. Sie dürfen aber dennoch raus. In der Kantine oder in der Anlage sind wir ständig in Kontakt mit ihnen.
Die Mitarbeiter der Kantine wurde auch positiv getestet. Das Essen reicht nicht aus und ist von schlechter Qualität. Wir sollen unser Immunsystem stärken aber wie sollen wir das machen? Wir müssen zueinander halten aber das ist unmöglich.
Weil niemand die Flüchtlingsunterkunft verlassen darf, gibt es hier viele Ansammlungen von Menschen. Es herrscht zudem angespanntes Klima. Hier gibt es Kinder. Es gibt ganze Familien, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Wir bekommen keine Reinigungs- und Hygienemittel. In den Toiletten gibt es keine Seife. Das ist das größte Problem. In einem einzigen Zimmer sind wir zu sechs Personen untergebracht.
Wer positiv getestet wurde, bekommt keine Maske. Wenn wir Masken bekommen, dann andere als das Personal in der Einrichtung. Die Mitarbeiter ziehen sich zudem Ganzkörperanzüge an. Es herrsch das Klima, dass sich in der Flüchtlingsunterkunft jeder am Ende anstecken wird. Das haben auch die Flüchtlinge hier akzeptiert und achten deswegen nicht mehr auf die soziale Distanz.“
Probleme in den Flüchtlingsunterkünften in NRW
Das Bundesland NRW hat sehr viele Flüchtlinge aufgenommen. Über 60 Flüchtlingsunterkünfte soll es hier geben. Die Lage in den Einrichtungen verschlechtert sich zunehmend. Die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ hat einige Anträge zum Schutz von Flüchtlingen in den Einrichtungen gestellt. Eines davon ist, dass die Flüchtlingsunterkünfte von unabhängiger Stelle kontrolliert werden sollen.
Der Umgang mit der Epidemie in den Flüchtlingsunterkünften ist in den Bundesländern und den jeweiligen Einrichtungen unterschiedlich. Aus Berlin erreichen uns Nachrichten, dass in den Lagern durch Verlegungen die Anzahl jeweils gesunken ist. Während in manchen Flüchtlingseinrichtungen Hygienemittel in ausreichendem Maße ausgteilt werden, findet man in den sanitären Bereichen mancher Lager keine Seife.
Auch unter Flüchtlingen aus der Türkei positive-Coronafälle
Auch wen es schwierig ist an Informationen aus den Einrichtungen ranzukommen wissen wir von verlässlichen Quellen, dass die Zahl der Coronafälle unter türkeistämmigen Flüchtlingen täglich wächst: In Euskirchen gibt es 7, in Gießen 2, in Groß Gerau 4 Fälle.
Arif Esen (Lehrer): „Wir sind unter Quarantäne, 80 positive Fälle“
Arif Esin ist Mathematik-Lehrer aus der Türkei und saß 15 Monate im Gefängnis bevor er mit seiner Familie nach Deutschland flüchtete. Dass was er erzählt bestätigt, dass in den einzelnen Flüchtlingsunterkünften unterschiedlich mit der Pandemie umgegangen wird.
Esin ist in einer Flüchtlingsunterkunft in Euskirchen untergebracht. Er erzählt, dass dort 80 Personen positiv getestet wurden. Anfangs habe es keine Corona-Fälle gegeben, bis dann eine Familie dorthin verlegt wurde, die mit dem Erreger angesteckt war. Danach habe sich die Lage in der Einrichtung verschlechtert. Nach dem Kontrolleure ins Lager kamen, habe sich die Lage etwas verbessert. Er fürchtet, weil vieles langsam gehe, dass sich nach einer gewissen Zeit alle in dem Heim anstecken könnten.
„Nach dem Ausbruch darf man nicht mehr ins Lager rein oder raus. Wir sind unter Quarantäne. Wer positiv getestet wurde, wirde von den anderen getrennt und es wird verhindert, dass wir Kontakt zueinander haben. Das Essen wird in unsere Zimmer gebracht. Es gibt keine Schlangen mehr vor Essensausgaben. Das ist etwas sehr gutes. Wer Freunde draußen hat, daarf sich von ihnen Essen bringen lassen. Derzeit wird sehr viel auf Hygiene geachtet. Es gibt Seife und Desinfektionsmittel. Masken wurden nur ein Mal verteilt. Danach haben wir welche von draueßen bringen lassen.
Weil die sanitären Einruchtungen mit anderen geteilt werden, besteht dennoch Gefahr für uns. Wir versuchen alle solange im Zimmer zu bleiben, bis die Gefahr gebannt ist. In der Einrichtung leben 300 bis 400 Personen. 80 von ihnen wurden positiv getestet. Mit jedem Tag werden es mehr. Hin und wieder sehen wir Rettungswagen die kommen und gehen. Von den Türkeistämigen sind 7 positiv getestet. Unter ihnen ist eine Mutter mit 3 Kindern, die jetzt unter Quarantäne sind. Ihr Ehemann ist in der Türkei im Gefängnis.
Es gibt kein Hindernis dafür, dass unsere Anträge schneller bearbeitet werden. Ich war 15 Monate in der Türkei zu Unrecht im Gefängnis. Seit 9 Monate lebe ich in Deutschland in Flüchtlingsheim. Ich habe alle Unterlagen vorgelegt. Wenn die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingen (BAMF) von zu Hause aus in meine Akte schauen könnten, würden sie meinen Antrag genehmigen. Wir wünschen uns wegen der Pandemie, dass unsere Asyl-Anträge schneller bearbeitet werden.“
Vitamine für Flüchtlingen
Wenn sich Flüchtlinge in ihren Unterkünften infizieren, so ist es für sie besonders schwierig, wieder gesund zu werden. Sie brauchen ein starkes Immunsystem, sowie Vitamin C-, Omega 3- und Zink-Tabletten. Auch wegen der schlechten finanziellen Lager der Flüchtlinge ist es schwierig für sie, an diese Präparate ranzukommen. Freiwillige müssen die Gelegenheit bekommen, den Flüchtlingen diese Präparate zu geben. Ein anderes Problem bleibt, dass jede Flüchtlingsunterkunft anders mit der Epidemie umgeht.